Man sollte meinen, in Deutschland hätte man aus der
Vergangenheit und den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gelernt. Das trifft
offenbar nicht auf alle zu. Bei einem Spaziergang über den Antik- und
Trödelmarkt in der Alsfelder Hessenhalle wurden Zweiter-Weltkriegs-Souvenirs
von Landser-Heften bis zu Hakenkreuz-Orden dargeboten.
Auf Flohmärkten findet man so allerhand – Schönes,
Hässliches, Altes, Kitschiges. Erinnerungsstücke quer durch die Epochen.
Darunter auch Epochen, an die man sich eigentlich lieber nicht erinnern möchte
– doch das anscheinend nicht einmal aus Versehen.
An mehreren Ständen waren uns Gegenstände aufgefallen, die
den deutschen Militarismus glorifizieren und dabei auch die Wehrmacht mit
einbeziehen. Diese lagen ganz selbstverständlich zwischen Kuckucksuhren und
Kaffeemühlen. Nicht einfach vorbeilaufen konnten wir dann, als wir an einem
Stand in der vordersten Tischecke einen Stapel Landser-Hefte entdeckten. Das
hat uns schrecklich verärgert und wir fragten den Herrn am Stand, ob er sich dessen
denn gar nicht schäme. Dieser dachte jedoch gar nicht daran. „Wieso denn?“ Ganz
unschuldig konnte er sich jedoch nicht fühlen – immerhin drehte er das oberste
Heft um, so dass der Titel nicht mehr zu lesen war. Den Rest des Tisches
bedeckten unterschiedlichste Orden – viele davon Eiserne Kreuze. „Das ist ja
wohl Erster Weltkrieg, nicht Zweiter,“ so der Verkäufer. Wir sollten gefälligst
richtig hingucken. Militarismus ist also nur dann ein Problem, wenn es sich um
Nationalsozialismus handelt und deswegen gesetzlich verboten ist?
In der Zwischenzeit kamen unsere Mutter und unsere aus den
USA und Israel angereisten Tanten dazu. Wie der Verkäufer gefordert hatte,
schauten wir etwas genauer hin. Und siehe da: In einer Schachtel lagen –
sorgsam mit dem Bild nach unten gelegt – Nazi-Orden mit Hakenkreuzen und
Reichsadler. Auch der eigentliche Besitzer des Standes war inzwischen
aufgetaucht. Als er unsere 70-jährige Tante diese Orden betrachten sah,
schubste er sie aggressiv mit dem Ellbogen zur Seite. In der Zwischenzeit rief jemand
von uns bei der Polizei an. Es gebe hier einen Stand, der Nazi-Orden, also
verfassungsfeindliche Symbole, öffentlich anbiete, ob die Herren sich das nicht
mal anschauen wollten. Jetzt hieß es also warten. Der Besitzer wurde derweil
sichtlich nervös und fing an, bestimmte Gegenstände unter den Tisch zu nehmen.
Als wir uns weiter umsehen wollten, fuhr er uns an, wir sollten die Finger von
seinen Sachen lassen. Auf unsere Anmerkung, dass er diese ja wohl verkaufen
wolle, entgegnete er: „Nein. Ich verkaufe das nicht. Das ist eine Ausstellung.“
Die Nazi-Orden verkaufte er angeblich auch nicht. „Die habe ich für mich
gekauft. Die liegen hier nur.“
Als die Polizei dann eintraf, wollte der Verkäufer erst gar
keine Orden gehabt haben. Erst, als wir mehrfach wiederholten, dass diese sich
inzwischen unter dem Tisch befänden, rückte er sie zähneknirschend heraus. Auch
seine Personalien konnte er zunächst nicht aufnehmen lassen – die Dokumente hatte
er nämlich im Auto. Da konnte er allerdings nicht hin, er könne ja seinen Stand
nicht mit uns alleine lassen. „Ich habe hier Wertgegenstände.“
Der Betreiber des Antikmarktes nahm das Problem durchaus zur
Kenntnis, sah sich aber außerstande, wirksam dagegen vorzugehen. Als wir am
Montag im Messebüro Rode anriefen, erklärte er, mit den vorhandenen Mitteln
seien die Markstände nicht umfassend zu kontrollieren. Dafür müsse man mehr
Eintritt verlangen. Allerdings würde dann das Publikum ausbleiben. „Wenn wir
sehen, dass jemand sich nicht an die Gesetze hält, dann sorgen wir selbst
dafür, dass die Polizei kommt.“ Offenbar reichen dafür aber oft die Kapazitäten
nicht aus. Deswegen sei es ja gut, dass es Leute wie uns gäbe, wir könnten ja
nächsten Sonntag auch noch einmal nachgucken gehen.
Dinge, die nicht gesetzeswidrig sind, interessieren den
Betreiber nicht. „Über Schönheit kann man streiten, und wir haben da auch keine
Handhabe.“
Erschreckend waren vor allem die Reaktionen der Menschen um
uns herum. Nicht nur, dass bisher scheinbar niemand Anstoß daran genommen
hatte. Nein, der Mann bekam sogar Unterstützung. „Machen sie dir Ärger wegen
der Landser-Hefte? Lass dich nicht ärgern.“ Und ein langhaariger, bärtiger Mann
in Motorradkluft bot an: „Willst du sie vom Tisch haben? Ich kauf sie dir ab.“
Und die Frau am Nachbarstand bekundete sogar entrüstet: „Das ist unsere
Geschichte und Kultur.“ Dass wir mit dem Umgang mit dieser Geschichte und
Kultur ein Problem haben, fand sie scheinbar ganz unbegreiflich.
Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass es auch
andere Reaktionen gab. Zwei Frauen waren mit der Auslage des Standes ebenso
wenig einverstanden wie wir. „Manche Menschen sind so doof.“
Allerdings ist es doch traurig, dass ausgerechnet zwei junge
Frauen mit jüdischem Familienhintergrund diejenigen sind, die so etwas nicht
kommentarlos hinnehmen. Das wäre die Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft.
Auch traurig, dass der Besuch unserer Tanten, die ihre Großeltern in Auschwitz
verloren haben, so endet. „Dass so etwas im Jahr 2012 in Deutschland noch
passieren kann,“ sagt unsere Tante nur kopfschüttelnd.